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WDR3

WDR3 18.12.2017
Oliver Cech

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Beglückend transparent ... Referenzeinspielung
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Das ist schon eine ungewöhnliche Ansage, im Begleitheft zur neuen Bach-CD: „Im Stereo-Klang“, heißt es da, „hören Sie Pierre Hantai über den rechten Kanal – und Aapo Häkkinen über den linken Kanal.“
Zitat Ende. Die Reviere sind abgesteckt. Das Spiel kann beginnen!     
[Einspielung Musik]
Der finnische Cembalist Aapo Häkkinen hat immer wieder gezeigt, dass er ein Musiker ersten Ranges ist – und als solcher auch ungewöhnliche Interpreta­tionsentscheidungen durchsetzt, wenn sie denn seinen musikalischen Instink­ten entsprechen. So hat er beispielsweise die mit Abstand langsamste Auf­nahme von Bachs Gambensonaten vorgelegt.
Auf der anderen Seite hat auch Pierre Hantai im Lauf von Jahrzehnten der Beschäftigung mit Bachs Cembalowerken einen ganz eigenen, abgeklärten und in sich ruhenden Zugang zu diesem musikalischen Kosmos gefunden.  
Soweit die Ausgangslage. Was davon ist zu hören im Zusammenspiel von Häkkinen und Hantai, auf ihrer neuen CD?
[Einspielung Musik]
Mühelose Harmonie – die schon aus technischen Gründen verblüfft. Anders als bei Streichinstrumenten gibt es bei Klavieren keinen Einschwingvorgang für den Ton. Der Tastendruck schleudert einen Hammer gegen einen Saite; und augen­blicklich ist der Ton da. Noch direkter ist die Tonerzeugung beim Cembalo, das die Saiten mit Plektren anzupft. Kein Pedal, keine weiche Anschlagskultur kann hier dem Ton eine Aura verleihen. Nur zwei Cembalisten, die exakt mit dem gleichen Zeitempfinden spielen, geraten gemeinsam in einen musikalischen Fluss oder „Flow“... wie hier Aapo Häkkinen und Pierre Hantai.
[Einspielung Musik]
Zu hören ist reine Kammermusik, ein Wechselspiel von feinsinnigen Gesten zwischen den Cembalisten und den Streichern, die in einer Orchesterbesetzung nicht möglich wäre. Doch Bachs Cembalokonzerte bedürfen keines Orchesters; jede Streicherstimme einfach zu besetzen, das ist diesen Stücken historisch angemessen und gibt auch musikalisch Sinn.
Sogar auf den Streichbass verzichtet Häkkinen nun, entsprechend den neuesten Forschungsergebnissen zur Aufführungspraxis der Bach-Konzerte. Im Ergebnis hören wir zwei Cembalisten im vertrauten Gespräch mit einem Streichquartett: Zwei Violinen, Viola und Violoncello – gespielt von vier famosen Finnen aus Häkkinens helsinki baroque orchestra.  Fast tänzerisch ihr Auftreten in den raschen Sätzen, ein zärtliches Singen in den langsamen – und stets beglückend transparent.
[Einspielung Musik]
Spielraum gewonnen – ganz wörtlich! – haben dadurch die beiden Cembalisten. Hantai und Häkkinen sitzen an Nachbauten von Instrumenten, an denen Bach selbst musiziert hat. Wunderbar ausgereifte und in sich harmonische Cembali von Harrass und Hildebrandt, mit jeweils zwei Manualen und Lautenzug; das eine (von Hantai gespielt) mit sonorem 16-Fuß-Bassregister, wie von Bach bevorzugt. Majestätisch aufbrausen oder zierlich summen: Da gibt es nichts, was diesen Instrumenten nicht möglich wäre. Ihre Stimmen sind durchaus unterscheidbar, wie die der beiden Cembalisten, die auf ihnen spielen.
Eben das macht den Reiz dieser Aufnahme aus: Hörbar musizieren hier zwei Individualisten, zwei Persönlichkeiten; doch einig im Zugriff auf Bachs Musik, der frei ist von oberflächlichen Affekten, empfindsam und kraftvoll federnd zugleich. Ihre rhythmische Kontrolle ist makellos, ebenso wie die Wahl der Satz­tempi – und ihr Sinn für winzige Temporückungen innerhalb einer musikali­schen Phrase.
[Einspielung Musik]
Drei Konzerte für zwei Cembali hat Bach hinterlassen, zusammen eine Drei­viertelstunde Spielzeit. Um ihre CD rund zu machen, haben Häkkinen und Hantai sich zusätzlich bei dem Komponisten bedient, der nicht nur das Harass-Cembalo der alten Bach geerbt hat, sondern auch einen Gutteil seines musikalischen Genius… Wilhelm Friedemann Bach kommt in dem hier zu hörenden Concerto für zwei Cembali ohne Streicherbegleitung aus. Musik eines jungen Mannes: entstanden 1733, exakt zur selben Zeit wie die eben gehörten Konzerte des großen Johann Sebastian. Und doch läutet Bach junior in seiner Musiksprache bereits selbstbewusst eine neue Ära ein. Eine Zugabe, die nicht nur das Repertoire erweitert, sondern auch unseren musikalischen Horizont – und diese CD vollends zur Referenzeinspielung macht.

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